Bote der Urschweiz, 16.3.1998

Das Orchester Schwyz-Brunnen wartete unter der Leitung des Dirigenten Stefan Albrecht mit seinem Frühjahrskonzert auf. Die präsentierten Kompositionen von Michael Haydn, Harald Genzmer und Joseph Haydn liessen einen Konzertabend erwarten, in dem wieder einmal das stimmungsvoll Unbeschwerte ins Zentrum des eigentlichen musikalischen Geschehens gerückt werden durfte.

Unvoreingenommene Hörerinnen und Hörer vermuten sehr wahrscheinlich, dass ein solches Programm, dem das aufwühlend Bekenntnishafte fehlt, dementsprechend auch leichter zu verwirklichen sei. Dann müsste wieder einmal mit Nachdruck der gegenteilige Erfahrungswert hervorgehoben werden, dass nämlich nur einem bestens vorbereiteten Orchester das Balancekunststück gelingt, diese zum Teil ausserordentlich schwierigen technischen Hürden so anzugehen, dass die präsente Spielfreude sich auch auf die Stimmung des Publikums überträgt. Dieses Kunststück gelang dem Orchester Schwyz-Brunnen auf weite Strecken und auf einem erstaunlich hohen interpretatorischen Niveau.
Das Konzert wurde mit dem «Notturno solenne in Es-Dur» von Michael Haydn eröffnet, dem Bruder des bekannteren Joseph Haydn. Auch wenn Michael Haydn in den letzten Jahren eine eigentliche Renaissance erlebt, so dürfte diese Komposition für die meisten Besucherinnen und Besucher eine Erstbegegnung mit einer, gerade wegen ihrer Unbeschwertheit bezaubernden Komposition gewesen sein. Der einladende, festlich gestimmte und beschwingte Eröffnungssatz leitete über zu dem im Tempo doch etwas zu langsam genommenen Andante, darauf zum klanglich fein abgestuften Minuetto bis zu seinem Presto-Finale mit seinen herausfordernd schnellen Streichereinsätzen und seinen kecken Bläsereinwürfen der Hornisten.
Die 2 Sinfonietta von Harald Genzmer aus dem Jahre 1993 war die eigentliche Überraschung des Abends. Stefan Albrecht mutete seinem reinen Streich-Ensemble, das hier ganz ohne Bläser aus- kommen musste, einiges zu. Die doch eher klassizistische, sich an Britten, Bartok und dem slawischen Volkslied orientierende Komposition war aber bestens geeignet, dem zeitgenössischen kompositorischen Schaffen auch bei uns ein selbstverständliches Heimatrecht zu geben. Genzmer schöpft' denn auch die Möglichkeiten eines reinen Streicherklangs auf überraschend vielfältige Weise aus. Lyrische Sangbarkeit. expressiv aufgeladene Klangverdichtungen, eine festliche, ja forsche, Ausgelassenheit und rhythmische Quersteller liessen diese fünfsätzige Sinfoniette zu einem abwechslungsreichen Hörabenteuer werden. Eigentlicher Höhepunkt dieser «Kleinsinfonie» war das Bravourkunststück des Pizzicato-Satzes, vom Streichorchester mit hoher Präzision, gemixt mit Schalk und Witz interpretiert.
Mit Joseph Haydns D-Dur Sinfonie Nr. 101 bekannt auch unter dem Namen «Die Uhr», betrat das Orchester wieder vertrauteren Boden. Auch hier durfte sich das Orchester auf die kontrollierte und dennoch mitreissend musikalische Führung seines Dirigenten verlassen. Sehr schön gelang der interpretatorisch so schwierige Spannungsboden zwischen dem einleitenden Adagio und dem eingängigen, aber brillant zu spielenden Presto-Satz. Mit Recht ging Stefan Albrecht das berühmte Andante (ihm verdankt die Sinfonie den Beinamen Die Uhr) nicht mit einem zu raschen Tempo an - eine Unsitte der meisten Dirigenten! - und schuf so einen künstlerisch gut überlegten Kontrast zum darauffolgenden Menuet. Hier erfreute vor allem das intonationssichere Wechselspiel zwischen den ausgezeichneten Flötisten und dem Fagott. Mit einem strahlenden Vivace, das zwar in schnellem Tempo genommen wurde. aber dennoch nie überhastet wirkte, klang dieser auf reine Freude abgestimmte Konzertabend aus. Die zahlreichen Besucherinnen und Besucher bedankten sich bei allen Mitwirkenden, besonders aber bei ihrem klug disponierenden und mitreissend anführenden Dirigenten Stefan Albrecht, für diesen kunstvollen und gleichzeitig auch unbeschwerten Konzertabend.
Dr. Joseph Bättig, Bote d U 16.3.98